XXI
Niemand beschwert sich, dass das Jahr 2021 langweilig gewesen wäre. Mir persönlich war es eine große Erleichterung, dass Donald Trump nicht mehr Präsident der Vereinigten Staaten war. Am meisten beschäftigt hat uns der Umzug nach Italien. Die Planung des „Urlaubs“, die Besichtigung von so vielen verschiedenen Häusern und natürlich alles um die Umsiedlung selber, dokumentiert im Blog. Das beginnt beim Erlernen einer Fremdsprache und hört mit einer Million Kleinstfragen auf – die meisten davon immer noch völlig offen. Darum ist das Weihnachtsgeschenk 2021 Italien gewidmet. David hat ja ein Zwölftel des Jahres 2021 dort gelebt und Hannah fehlen jetzt nur noch 60 Kilometer zur Pizza am weißen Turm in Brixen.
Ich weiß wenig über die italienische Kultur der Gegenwart, aber ich lerne ständig. Als wir unseren Fokus von Südfrankreich auf Italien verschoben, war mein Vorurteil, dass in Italien kulturell weniger passiert als in Frankreich. Das glaube ich nicht mehr. Begonnen hat meine Suche mit der Musik und ich möchte meine schönsten Funde mit euch teilen, um euch möglichst oft nach Piegaro zu locken. Es ging mir nicht darum, die erfolgreichsten Songs zu finden, sondern über die Musik zu erahnen, wie Italien so tickt. Hier also meine Ventuno-Compilation:
Tony Renis: Quando, quando, quando (1962)
1962 muss ein tolles Jahr für die Musik gewesen sein. Beim wichtigsten Festival in Sanremo gewann Elio Cesaré, der sich Tony Renis nannte, keine Medaille. Nur der vierte Platz blieb für „Quando, quando, quando“. Die Charts ignorierten dieses Fehlurteil und dieser italienische Samba wurde Tonys größter Erfolg. Und ich finde, den hat er immer noch gut drauf!
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Tony und Adriano Celentano hatten sich vier Jahre als klassischer comical act versucht, angelehnt an das Duo Dean Martin (der wird noch öfter hier auftauchen) und Jerry Lewis. Tony war der straight man, Adriano der Clown. Als der Erfolg ausblieb, verfolgten beide Solokarrieren. Hat bei beiden gut geklappt.
Viele Künstler haben diesen Song von Tony gecovert. Da wären z.B. Connie Francis, Cliff Richard, Engelbert Humperdinck, Michael Bublé, Caterina Valente, Roberto Blanco oder Sinn Sisamouth. Euch ist der Song vielleicht aus „Malcolm in the Middle“ bekannt, wo Dewey Lois damit ablenkt. Fünfte Staffel.
Daniele Sepe: Tarantella del Gargano (17. Jahrhundert)
Die Tarantella ist angeblich ein Gegenmittel gegen das Gift der Tarantel. Die Musiker besuchten die gebissene Person, die dann tanzen musste, bis das Gift ausgeschwitzt war. Das Problem dieser Theorie ist, dass der Biss der Tarantel schmerzhaft ist, aber sonst völlig harmlos. Wahrscheinlicher ist ein Zusammenhang zum Tarantismus, dem sogenannten Veitstanz, der im 14. bis 17. Jahrhundert epidemisch auftrat. Hier diente die Tarantella dazu, den spastischen Zuckungen einen heilsamen Rhythmus zu geben. Who knows?
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Faszinierend ist aber die Musik selber, in der sich italienische, spanische und arabische Elemente mischen. Hier ist der Text, in einem alten Süditalienisch, das sich meinen Übersetzungskünsten widersetzt:
Sta donnì, accomme j’eia fà p’ amà ‘sta donni?
Ah de rose ce l’eja fà nu bellu giardini,
‘ndorne pe ‘ndorni l’eja annammurari,
di preta preziosi e ori fini,
ammezzi ‘nce l’eja cavà ‘na brava funtani,
j’eja fà corri l’acqua surgentivi,
‘ncoppa ce lu metto n’auciello a cantari.
Cantavi e repusavi bella dicevi:
e pi vui so’ addivintati n’auciello,
pi farimi ‘nu suonno accanto a voi bella madonna.
Me l’ha fatto ‘nnammurà la cammenatura e lu parla’,
si bella tu nun ce jve ‘nnammura’ nun me facive,
ah uei lì uei llà.
Ah pi ‘nciuè ‘sta ‘ncagnata che vuò da me,
mammeta lu sape e lo vò dicere pure a me.
Gesungen wird die Tarantella von Brunella Selo und die Aufnahme ist von Daniele Sepes erfolgreichstem Album „Vita perdite“ von 1993. Er stellt seine Alben auf YouTube zur Verfügung.
Mina: Nessuno
Schaut man sich das Video zum ersten großen Hit von Mina an, denkt man sich heute nicht viel dabei. Aber 1958 war eine Frau in Hosen, mit kurzen Haaren, die laut eine Rocknummer ins Mikrofon plärrt, ein kleiner Skandal. (In Deutschland wurde Lenelotte von Bothmer noch 1969 wegen ihres Hosenanzugs des Bundestags verwiesen). In den italienischen Feuilletons wurde Mina als urlatori – Schreierin – verunglimpft, die Single verkaufte sich trotzdem wie verrückt.
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So florierte ihre Karriere und keine drei Jahre später hatte sie eine eigene Fernsehsendung: Studio Uno. Doch dann drohte das Aus: Sie wurde schwanger. War nicht verheiratet. Aber ihr Partner schon. Im katholischen Italien 1962 ein straffälliger Tatbestand, man nannte das Konkubinat. Der italienische Rundfunk – RAI – boykottierte Mina für zwei Jahre in Rundfunk und Fernsehen.
Was diese aber nicht davon abhielt, jährlich ein neues Album zu veröffentlichen, von 1958 bis 2019. 1972 zog sie sich aus der Öffentlichkeit zurück. Ein großer Erfolg war 1998 übrigens eine Platte, die sie zusammen mit Adriana Celentano veröffentlichte, mit dem Namen Mina Celentano – man beachte die Reihenfolge. (Der junge Mann mit der Gitarre im HIntergrund des Bildes ist übrigens selbiger, in seiner ersten Filmrolle.)
In Italien gilt die tigre di Cremona als ein Fixpunkt der Frauenbewegung seit dieser ersten Single. In Deutschland hatte sie übrigens auch eine Nummer eins, mit dem eigens für sie komponierten Hit: Heißer Sand.
Franco Li Causi – Ciuri ciuri
Franco Li Causi war wahrscheinlich nicht der wichtigste Volkssänger in Italien, aber vielleicht Siziliens. Ciuri ciuri ist, zusammen mit Vitti ’na crozza, immer noch DAS Volkslied, das untrennbar mit Sizilien verbunden ist. Während Ciuri auf einen alten Text zurückgeht und erst 1883 von Francesco Paolo Frontini mit einer Melodie versehen wurde, ist Vitti ’na crozza von Franco Li Causi komponiert.
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Bei Ciuri, ciuri wird deutlich, wie verschieden die italienischen Dialekte sind. Der Liedtext ist:
Çiuri, çiuri, çiuri di tuttu l’annu
l’amuri ca mi daşti ti lu tornu
In Hochitalienisch wäre das:
Fiori, fiori, fiori di tutto l’anno
L’amore che mi hai dato te lo rendo
Man weiß nicht, wieviele Menschen Sizilianisch sprechen; es werden zwischen fünf und zehn Millionen vermutet. In Italien gilt es als schwieriger Dialekt, das linguistische Sammelwerk Ethnologue listet es als eigene Sprache. Obwohl es ein lang zurückreichende literarische Tradition hat, wird es nicht an Schulen gelehrt, ist keine Amtssprache, aber gilt laut UNESCO trotzdem nicht als vom Aussterben bedrohte Sprache.
Lou Monte: Lazy Mary
Genau genommen ist Lou Monte kein Italiener, sondern Amerikaner. Und, genau genommen heißt der Song nicht Lazy Mary, sondern C’è la luna mezzo mare. In dieser Form ist er ein fester Bestandteil italienischer und vor allem amerikanisch-italienischer Hochzeiten; so taucht er auch im Film Der Pate auf.
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Auf Ventuno hat er Platz gefunden, weil er für eine ganze Gattung von Liedern steht: Italoschlager amerikanischer Ausführung. Die sind gerne ein bisschen drollig oder lustig, manchmal kitschig und romantisch, werden aber niemals ernst genommen. Dean Martin hat seine ganze Karriere darauf aufgebaut.
So gibt es auch von C’è la luna mezzo mare unzählige Coverversionen, zum Beispiel von den Andrew Sisters, Glenn Miller oder eben Dean Martin. Lou Monte sollte außer Lazy Mary noch andere Hits haben, aber reden wir besser nicht von Pepino the Italian Mouse, Pepino’s Friend Pasqual, the Italian Pussy-Cat oder Dominick the Donkey. Einverstanden?
Rita Pavone: Viva la pappa col pomodoro
Wenn wir schon bei „drollig“ und „italienisch“ sind, darf Rita Pavone nicht fehlen. Sie ist die Mädchenversion von Mina, der man nicht übel nimmt, wenn sie einmal in Hosen zu sehen ist, sie ist ja so süß. In den gesamten Sechzigern waren ihre Platten in Italien erfolgreich und ihr Management platzierte ihre Songs auch im Ausland. Man vermarktete sie als The International Teen-age Sensation. Sie hatte, nach Elvis und vor den Beatles, einen Auftritt in der Ed-Sullivan-Show und platzierte zwei Alben in einem Jahr in den amerikanischen Charts.
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Auch in Deutschland war Rita Pavone ein bekannter Name. Ihre Hits hießen hier: Wenn ich ein Junge wär, Mein Jack, der ist zwei Meter groß oder Peppino aus Torino.
Pappa col pommodore ist übrigens die italienische Version der armen Ritter. In Deutschland röstet man altes Brot mit Ei und Milch in der Pfanne an und gibt, wenn man kreativ ist, noch ein bisschen Zimt dazu. In der Toskana macht man daraus eine feste Brotsuppe mit Tomaten, Olivenöl, Basilikum und – wenn man kreativ ist – etwas Knoblauch.
Clementino: Cos Cos Cos
Auf der B-Seite machen wir etwas moderner weiter. Clemente Maccaro ist einer der wichtigsten Rapper und Hip-Hop-Künstler Italiens. Man liest manchmal, er sei Italiens Eminem, aber erstens sind solche Vergleiche meist hanebüchen und zweitens sehe ich keine Indizien dafür. Während Eminem am Anfang seiner Karriere angefeindet und verachtet wurde, wird Clementino geliebt. Also, mein unmaßgeblicher Eindruck.
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Cos cos cos cos cos ‚o frat cos‘ hat sich 50.000 Mal verkauft, für italienische Verhältnisse ein mittelgroßer Erfolg. Der Titel bedeutet übersetzt übrigens: „Also so so so so oder so?“ (Sagt Google Translate, nicht ich.)
Sein größter Erfolg war das Album dessen Artwork diesen Artikel bebildert. Miracolo erschien 2015 und Clementino beschloss, diesem Nummer-Eins-Erfolg gleich eine Autobiografie hinterherzuschieben. Dieses Buch heißt La profezia di Clementino, die Kritiken waren gemischt. Clementino sagt, er rappe für den Süden. Den Süden Italiens, Europas und der ganzen Welt. „Il mio Sud è sole e sale, famiglia e mare“ – das ist schon eine ziemlich italienische Aussage, oder?
Gianni Morandi: Fatti mandare dalla mamma
Gianni Morandi, ein männliches Schnuckiputzi Italiens, hat gleich mehrere Autobiografien verfasst. Seinen Durchbruch hatte er mit einem Song mit den sperrigen Titel Fatti mandare dalla mamma a prendere il latte.
Er ist ein gutes Beispiel dafür, dass es in Italien kein Hindernis war, Kommunist zu sein. In den Sechzigern war die PCI die zweitgrößte Partei Italiens und erhielt regelmäßig über 30% der Stimmen. In zahlreichen Kommunen regierten kommunistische Bürgermeister, so auch hier in Tavernelle. Die Straßennamen belegen das: Wir haben hier eine Straße der Arbeit, eine Via Lenin und eine Via Friedrich Engels. Die PCI hat sich, nebenbei erwähnt, übrigens umbenannt und heißt jetzt PDS.
Aber, wo waren wir?
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È un’ora che aspetto
Davanti al portone
Su trova una scusa
Per uscire di casaFatti mandare dalla mamma
A prendere il latte
Devo dirti
Qualche cosa
Che riguarda noi dueTi ho vista uscire dalla scuola
Insieme ad un altro
Con la mano
Nella mano
Passeggiava con te
Übersetzt etwa: „Ich warte seit einer Stunde vor der Tür. Komm schon, erfinde eine Ausrede, um das Haus zu verlassen. Bring deine Mutter dazu, dich zum Milchholen zu schicken, ich muss dir etwas erzählen. Etwas, dass uns beide betrifft. Ich habe dich aus der Schule kommen sehen. Mit einem anderen! Händchenhaltend ging er mit Dir!“
Man sieht: Die größten Probleme der Popmusik in den frühen Sechzigern hatten mit Schulmädchen und Händchenhalten zu tun. Das Video ist es übrigens wert, angesehen zu werden.
Domenico Modugno – Nel Blu Dipinto Di Blu
Nel blu dipinto di blu muss natürlich in diese Liste – obwohl ich mir das lange überlegt habe. Unter seinem anderen Namen Volare ist dieses Lied vielleicht der populärste Schlager aus Italien. Man kann seine Meriten stundenlang auflisten. Gewinner in San Remo 1958, Best Song & Best Record of the Year bei den ersten Emmy Awards, erfolgreichster Titel des Jahres in den USA, im Vereinigten Königreich, in den Niederlanden, Frankreich – you get the picture.
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Domenico Modugno und Franco Migliacci waren über Nacht berühmt. Domenico Modugno hat gerne erzählt, dass er alle seine Einnahmen für diesen Song in einen Ferrari investiert und diesen nur Wochen später zu Schrott gefahren hat. Es ist anzunehmen, dass der Strom an Tantiemen niemals mehr abgerissen hat. Denn natürlich wurde der Song undendlich oft gecovert. Selbstverständlich von Dean Martin, aber auch von Jimmy Sabater oder den Gypsy Kings, die damit 1988 ihren größten Hit landeten.
Der Erfolg liegt, glaube ich, in der Singbarkeit des Lieds. Die meisten werden sich den Text nicht merken können, aber Volaaare und Cantaaare kann jeder brüllen. Darum bildet es auch die Grundlage für viele Stadiongesänge weltweit.
Die meisten Coverversionen lassen die Einführungszeilen leider weg. Dort heißt es:
Penso che un sogno così non-ritorni mai più.
Mi dipingevo le mani e la faccia di blu;
poi d’improvviso venivo dal vento rapito,
e incominciavo a volare nel cielo infinito.
Was ich, unter Zuhilfenahme von Google Translate so übersetzen würde:
Ich glaube, dass ein Traum wie dieser nie wiederkehrt.
Ich malte mir die Hände und das Gesicht blau;
dann wurde ich plötzlich vom Wind fortgetragen,
und begann im unendlichen Himmel zu fliegen.
Das sind die schönsten Zeilen des Songs und schon dafür ist die Originalversion den meisten Covers vorzuziehen. Diese Prise Surrealismus macht den Rest viel verdaulicher.
Domenico Modugno war später als Poliltiker der „Radikalen“ aktiv – auch eine sehr italienische Partei und in den Achtzigern im Europaparlament mit den Grünen assoziiert. Sein letzter Song heißt Delfini und ist von 1993, im Jahr darauf verstarb er an einem Herzinfarkt.
Tre Allegri Ragazzi Morti: Il mondo prima
Maskierte Acts gibt es ja in der Musik zuhauf. Mir fällt sofort KISS ein, dann Alice Cooper, Marylin Manson, Slipknot, Sido, Cro, Daft Punk oder schlicht das Phantom der Oper. Und natürlich Ganymed. Auch die glücklichen, toten Jungen treten in Masken auf und wie bei KISS täuscht das über die Tatsache hinweg, dass die Musik eher gängiger Poprock ist.
Zu den Masken der Band meinte der Comiczeichner Davide Toffolo, Gründer der Formation: “ Wenn man keine Erwartungen mehr hat, kann man sterben, das Unnötige loslassen und ins Leben zurückkehren. Man kann sterben und mit einem neuen Bewusstsein seiner selbst von vorne beginnen. Dies ist und bleibt die Bedeutung der Masken der Tre Allegri Ragazzi Morti.“ *hüstel, hüstel* Nun ja.
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Die Band gibt es seit 15 Jahren und sie haben Alben gemacht, die so schöne Titel tragen wie Der Traum des weißen Gorillas, Die zweite sexuelle Revolution oder Im Garten der Geister. Die Musik ist, außer eingängig, abwechslungsreich und milde experimentell. Das ganze Unternehmen hat einen Hauch von Hippie-Geist und deshalb gefällt es mir auch so gut.
Politisch stehen die Macher der M5S nahe, dem Movimento 5 Stelle. Diese Nicht-Partei wurde vom prominenten Komiker Beppo Grillo gegründet und ist politisch schwer einzuschätzen. Sie stehen für direkte Demokratie, moderne Medien und gegen die alten Parteien, das fühlt sich an wie einst die Piratenpartei in Deutschland. Im Europaparlament hat sich M5S eher rechts und europaskeptisch platziert – keine Ahnung, wie die Pentastellati oder Grillini genannten Politiker einzuordnen sind.
Egal. Zurück zur Musik. Ich empfehle, zum Weiterhören noch La mia vita senza te, Di che cosa parla veramente una canzone?, Voglio oder Bengala. Alles auch hübsch zum Ankucken.
Neffa: Prima di andare via
Es war im Jahre 1967, als in Scafati – in Campania, unweit von Neapel – ein Junge geboren wurde, der den Namen Giovanni Pellino tragen würde. Wenig ist über seine Jugend bekannt. Die Familie zog um nach Bologna, über das er immer noch keine guten Worte verliert. Als er zwanzig Jahre alt wird, beginnt er sich für Musik zu interessieren, gibt sich das Pseudonym Jeff Pellino und wird Drummer bei der wichtigsten Hardcore-Punk-Band Italiens Negazione.
Als die sich im Streit auflöst, dauert es nicht lange, bis sich „Jeff“ einen neuen Namen für sich ausdenkt. Weil er Fussballfan ist, besonders des Vereins U.S. Cremonese, nennt er sich nach deren paragyuanischen Stürmer Neffa. Das passt besser zum Hip Hop, den er mittlerweile mit der Band Isola Posse All Stars macht.
Als der Erfolg ausbleibt, löst sich auch diese Formierung auf und es wird Zeit, nun Rap zu machen. Sangue Misto heißt die Band, der auch der große Durchbruch nicht gelingen kann. Und für Neffa heißt das: von der Musik leben zu können.
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Erst die Solokarriere verschafft ihm diesen Luxus. Er findet seine persönliche Mischung aus Soul, Funk und Disco, die sein viertes Album gut verkauft. Prima di andare via – Bevor Du mich verlässt – ist die erste Singleauskopplung. Neffa ist Teil von Ventuno, weil sein Lebenslauf exemplarisch ist für viele Musiker seiner Generation. In Europa und in Italien.
Rocky Roberts: Stasera mi butto
Den Abschluss bildet das zu seiner Zeit, 1967, erfolgreichste Lied: Stasera mi butto. Ein schmissiger, happy Popsong, gesungen von einem gutaussehenden, amerikanischen Matrosen. Über drei Millionen Kopien verkauft. Der Titel bedeutet: „Heute abend springe ich“ – und der Song handelt davon, dass der Protagonist nicht mehr leben will, weil seine Freundin Nacktfotos geschossen hat. Ein happy Thema, oder?
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Der Künstler, Rocky Roberts, war tatsächlich ein Import aus Alabama und Stasera mi butto schon sein zweiter Hit. Damals hat man in Cinecittà alles zu Film gemacht, was man in die Hände bekam. Außer Mantel- und Degenfilmen gab es das Genre Sandalenfilme, gerne mit amerikanischen Bodybuildern in der Hauptrolle, Spaghettiwestern, Agentenfilme wie z.B. James-Bond-Kopien und selbstverständlich einen Film zum Hit des Jahres.
Nach diesem Erfolg drehte man, innerhalb von zwei Jahren, noch fünf andere Filme mit Rocky Roberts, doch der Erfolg nahm ständig ab. Auch in die Musikcharts konnte er keine Single mehr platzieren. Er lebte davon DER Rocky Roberts zu sein. Er singt übrigens das Theme des allerersten Djangofilms, welches Quentin Tarantino für sein Remake Django Unchained wiederverwendet hat.
Eine Schallplatte bietet wenig Platz. Es gibt einige berühmte Songs, die es nicht geschafft haben und eigentlich auch zum Thema von Ventuno passen. Da wäre Rosso relativo von Tiziano Ferro, America von Gianna Nannini, La solitudine von Laura Pausini, L’Italiano von Toto Cutogno, Adesso tu von Eros Ramazotti, A far l’amore comincia tu von Raffaella Carrà, Ancora qui von Elisa, Azurro von Adriano Celentano oder O sole mio von Enrico Caruso.
Erwähnt werden müssten eigentlich auch Angelo Branduardi, Lucio Dalla, Milva, Tullio De Piscopo, Simone Galante, Allesandra Franco, Jerry Calà, Wilma Goich, Paolo Fresu oder Luca Flores.
Besonders schwer gefallen ist mir die Kürzung von „Coccodrilli“ von Samuele Bersani und „Il gatto e la volpe“ von Edoardo Bennato. Aber ich bin mit der Auswahl zufrieden. Ihr auch?